Uwe Wenzel im Gespräch mit dem Russlandexperten Jens Siegert über die Perspektiven eines Wandels innerhalb Russlands und die möglichen Folgen für die transatlantische Gemeinschaft.
Szenarien für die Zeit danach
Seit 25 Jahren herrscht Wladimir Putin in Russland. Ein Ende seiner Diktatur ist nicht in Sicht. Er setzt im Innern auf Repression und führt einen Vernichtungskrieg gegen ein Nachbarland. Längst ist die Auseinandersetzung mit dem Westen zu einer Systemauseinandersetzung zwischen einer illiberal-autokratischen Ideologie und liberal-demokratischen Grundsätzen geworden. Solange Putin an der Macht ist, wird sich daran nichts ändern. Dennoch scheint, soweit sich das unter unfreien Bedingungen überhaupt feststellen lässt, ein Großteil der Bevölkerung hinter Putin zu stehen. Heißt das, dass zu viele Menschen in Russland weder Demokratie noch Frieden wollen? Wird deshalb auch nach Putin alles beim Alten bleiben? Oder besteht eine Chance, dass Russland irgendwann einen anderen, einen demokratischeren Weg einschlägt? Wie auch immer der Krieg in der Ukraine enden mag: Russland wird nicht verschwinden. Auch in Zukunft werden wir mit dem großen Nachbarn im Osten umgehen müssen. Umso wichtiger ist es, die längerfristige Entwicklung in den Blick zu nehmen. Dass die Systemauseinandersetzung mittlerweile auch den Westen und die transatlantische Gemeinschaft selbst erfasst hat, mit Trump, Orban und anderen an der Regierung, sowie vielen rechtspopulistischen Parteien auf dem Sprung dorthin, macht die Aufgabe nicht einfacher.
Jens Siegert arbeitet und lebt seit 1993 in Moskau. Er hat zunächst als Radiokorrespondent über Russland berichtet. Ab 1999 baute er das Moskauer Büro der Heinrich-Böll-Stiftung auf, dass er bis 2015 leitete. Von 2016 bis 2021 versuchte Siegert im Auftrag der Europäischen Union, den Austausch zwischen Russland und der EU trotz der wachsenden Spannungen auf verschiedenen Ebenen aufrechtzuerhalten.
Eine gemeinsame Veranstaltung des Mark Twain Center für transatlantische Beziehungen Heidelberg und der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg.